Mallorca Zeitung

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Street Photography auf Mallorca: Wie Sie mit geschicktem Layering eine gute Geschichte erzählen können

Im letzten Teil der Serie mit Straßenfotograf Jens F. Kruse betrachten wir die Komponenten Storytelling mit Schichttechnik

Den Blick kunstvoll durch verschiedene Bildeben zu lenken, fesselt den Betrachter und erzählt eine Geschichte. Jens F. Kruse

Wir alle kennen den berühmten Kuss vor dem Pariser Hôtel de Ville von Robert Doisneau aus dem Jahr 1950. „Wenngleich dies auch nicht ungestellt, sondern eine Auftragsarbeit war, entwickelte sich dieses Bild zu einem Symbol für Liebe und Romantik und gilt bis heute als eine der am häufigsten reproduzierten Fotografien der Welt“, schreibt der Straßenfotograf Jens F. Kruse – und hat auch eine Erklärung, warum das so ist: „In einem einzigen Bild findet sich die ganze Welt wieder!“

Visuelle Geschichten erzählen

Im letzten Teil unserer Serie zur Street Photography in der Praxis möchte uns der ehemalige Sternekoch, der seine späte Berufung in dieser Kunstform gefunden hat, eine Königsdisziplin näherbringen: wie man mit der Kamera visuelle Geschichten erzählt – und etwas in einem Bild einfängt, das über Situationen, Momente und Emotionen hinausgeht. Ein Schlüssel dazu sei Achtsamkeit, erklärt Kruse: „Street Photographer müssen Empathie und ein tiefes Verständnis für die Menschen in ihrer Umgebung haben. Sie versetzen sich in ihre Lage. Für ein paar Sekunden ist der Fotograf sozusagen ein Teil der Geschichte.“

Gutes Storytelling regt die Fantasie an. Jens F. Kruse

Eine Vielfalt an technischen Mitteln

Doch gutes Storytelling braucht nicht nur Einfühlungsvermögen, sondern auch viel Know-how und Erfahrung. Die Komposition spiele dabei eine entscheidende Rolle, so der Profi. Technische Mittel für ein gelungenes Bildarrangement seien der Einsatz von Licht und Reflexionen, Schärfe und Unschärfe, Farben und Kontrasten sowie Silhouetten, um die Stimmung des Moments zu verstärken und die Geschichte zu vertiefen – alles Aspekte, die der Straßenfotograf in dieser Serie erörtert hat und die er auch in seinen Workshops lehrt.

Layering als wichtigste Komponente

„Die wichtigste Komponente ist das sogenannte Layering“, erklärt Kruse. Bei dieser kompositorischen Schichttechnik zeige der Fotograf nicht nur ein Hauptmotiv, sondern verschiedene zusätzliche Ebenen, Interaktionen und Bewegungen oder visuelle Elemente innerhalb der Szene. „Das könnten Personen sein, die sich im Vorder-, Mittel- und Hintergrund befinden, Objekte und Strukturen, aber auch Farben oder Schatten, die in dem gesamten Motiv verteilt sind. Das Auge wird vom Vordergrund auf ein Hauptmotiv und durch das ganze Bild bis zum Hintergrund geführt.“

Das Layering suggeriert Interaktionen und Beziehungen. Jens F. Kruse

Dabei sollte man technisch darauf achten, mit einer kleinen Blende und nicht so langen Verschlusszeiten zu arbeiten, um alle Ebenen scharf zu bekommen und eventuelle Bewegungen einzufrieren. „Manchmal sind Bewegungsunschärfen jedoch willkommen, etwa groß im Vordergrund. Sie signalisieren Dynamik und erhöhen die Spannung“, räumt Kruse ein. Durch das Einfangen von mehreren „Schichten“ entstehe ein Gefühl von Tiefe und Dimension im Bild. Es trage zur lebendigen und realistischen Wirkung bei und vermittle dem Betrachter das Gefühl, er wäre selbst mittendrin im Geschehen. Nähme man einen Teil der Interaktionen im Bild weg, würde der Effekt nicht mehr funktionieren.

Warten, bis sich alles in Position bringt

Das praktische Vorgehen beim Layering sei zugleich „sehr einfach und so ziemlich das Schwierigste überhaupt“: Man fokussiere im Hintergrund auf einen Fixpunkt – das kann eine Person, ein Plakat, ein Tier oder eine Farbe sein. „Nun warten wir, bis sich rundherum alles in Position bringt“, erklärt der Fotograf. Das heißt: Die Protagonisten und andere Bildelemente stören sich nicht gegenseitig, sondern erwecken den Anschein, in Bezug zueinander zu stehen – was sie jedoch nicht tun. Man meint, Interaktionen und Beziehungen zu sehen, die nicht wirklich vorhanden sind.

Großer, unscharfer Vordergrund signalisiert Dynamik. Jens F. Kruse

Drei Ebenen als guter Ausgangspunkt

Und wie viele Schichten beziehungsweise Ebenen braucht man nun für ein wirklich gutes Bild? „Die Antwort ist, dass es keine magische Zahl dafür gibt und dass die Anzahl keine wirkliche Rolle spielt“, so Kruse. Doch seien drei Ebenen in der Regel ein sehr guter Ausgangspunkt. Durch das Layering wandere das Auge von einer Ebene zur nächsten und entdecke darin verschiedene Details. „Der Betrachter wird angehalten, sich das Bild länger anzusehen. Ein ultimatives Ziel für uns Straßenfotografen!“, meint Kruse.

Grundsätzlich gehe es beim Storytelling in der Street Photography darum, eine Verbindung zu den Menschen und der Welt um uns herum zu ermöglichen, indem man dem Betrachter Einblicke in alltägliche Momente gewährt, die eine Geschichte erzählen. Dabei gibt die Erzählung idealerweise nicht zu viel preis: „Sie wirft Fragen auf und lässt dem Betrachter Freiraum für seine eigene Fantasie.“

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